Hilfe - ich bin so gestresst!

Becoming thick-skinned (Part II)

In meinem ersten Artikel Resilienz ist keine Modeerscheinung - Becoming thick-skinned (Part I) habe ich die Begrifflichkeit Resilienz beschrieben und anhand der Funktion eines Schaumstoffballs erläutert.

Ein Schaumstoffball lässt sich verformen, zusammendrücken und verdrehen. Er springt nach der manuellen Verformung direkt wieder in seine ursprüngliche Form zurück.

Dieser Analogie folgend, können auch resiliente Menschen nach Stresssituationen schnell wieder in einen seelischen Normalzustand zurückspringen.

Bevor ich näher darauf eingehe, wie wir resilient werden, hilft es zuvor zu verstehen, warum diese Fähigkeit überhaupt so wichtig ist. Aus welchem Grund es relevant ist, Stresssituationen nicht als Normalzustand zu akzeptieren.

Resilienz heißt: Den Normalzustand des Körpers nach Stressreaktionen schnell zu erreichen.

Doch Stress ist für viele Menschen zum Normalzustand geworden.

Wir neigen dazu, Stress in eine Art Psycho-Ecke zu schieben. Stress ist landläufig eine vermeidbare Verfassung, die nicht selten runtergespielt wird.

Stress gilt häufig als völlig normal. Im Job gehört es fast schon zum guten Ton. Als müsste man sich schämen, nicht ins “Stress Horn” zu blasen, weil man dann seinen Job nicht angemessen ausübt.

Wer im Beruf etwas darstellen will, hat selbstverständlich Stress. Er ist im Gehalt sozusagen inkludiert. Wer nicht gestresst ist, hat im beruflichen Alltag nichts zu suchen oder übt zumindest keine anspruchsvolle Tätigkeit aus.

Diese oder ähnliche Aussagen begegnen mir sehr häufig im Coaching.

Was ist Stress denn nun eigentlich und was passiert im Körper?

Stress ist in allererster Linie ein biologischer Ablauf in unserem Hormonsystem, der körperliche Reaktionen nach sich zieht.

In Belastungssituationen übernimmt ein Verbund von Nervenzellen im Gehirn - die Amygdala - die Regie über unseren Körper.

Sie registriert potenzielle Gefahren in unserer Umwelt und reagiert mit Nervenreizen im Organismus.

Hier kommt der sprichwörtliche Adrenalinstoß zum Einsatz.

Neben Adrenalin und Noradrenalin sorgt die Amygdala dafür, dass der Körper das Stresshormon Cortisol bildet.

Die Ausschüttung dieser Stresshormone sorgt dafür, den Körper nachhaltig in Bereitschaft zu versetzen, mit Stress umzugehen.

Dieser Mechanismus ist ein archaisches Relikt, der Sorge dafür trägt, dass der Körper bestmöglich auf eine notwendige Flucht oder einen unausweichlichen Kampf vorbereitet wird.

Selbst wenn wir heutzutage - besonders in unseren Gefilden - seltener den Kampf mit wilden Tieren fürchten oder gar vor ihnen flüchten müssen, so reagiert der Körper noch immer diesem uralten System folgend.

Für unser Gehirn ist es unerheblich, ob wir vor einem Mammut flüchten, uns im Flugzeug die Turbulenzen beunruhigen oder wir uns von einem Kollegen verbal attackiert fühlen. Wenn die Amygdala Gefahr wahrnimmt, reagiert sie mit der Produktion von Stresshormonen.

Das Gehirn ist kein Erkenntnisorgan, sondern ein Überlebensorgan. 

Wir werden in diesen Situationen von unserem Körper mit mehr Sauerstoff und mehr Energie versorgt. Die Atmung beschleunigt sich, der Blutdruck steigt, Gefäße weiten sich und die Anspannung der Muskulatur nimmt zu.

Denk einmal an einen Menschen, der Dir wütend gegenüber stand. Erinnerst Du den hochroten Kopf? Den aufeinandergepressten Kiefer? Die angespannten Muskeln? Hatte die Person vielleicht sogar die Fäuste geballt? Oder gar buchstäblich vor Wut geschnaubt?

Et voilà... Das Werk der Amygdala. Ein Mensch voller Stresshormonen steht vor Dir.

In diesen Stresssituationen übernimmt das sogenannte limbische System (in dessen Areal auch die Amygdala sitzt) und sorgt dafür, dass der Körper so viel Energie für Muskulatur und Atmung wie nur möglich erhält.

Andere Funktionen - wie komplexes Denken und Erinnern - werden in diesem Zustand unterversorgt.

Dieser Zustand ist auch bekannt unter dem Begriff

Fight-Flight-Freeze-Modus

Fight = kämpfen,

Flight = abhauen, 

Freeze = totstellen. 

Je nach abgewägter Überlebensstrategie verfällt der Körper in Schockstarre, flüchtet oder kämpft. Und hier ist nicht zwangsläufig der körperliche Kampf gemeint, sondern auch verbale Kampfattacken und aggressive Machtdemonstrationen sind typische Stressreaktionen.

Wir alle haben sicher diverse Beispiele, bei denen wir in Stresssituationen entweder sofort zu verbalen Attacken gegriffen haben (Fight) oder aber wir versuchten, uns unsichtbar zu machen. Wir haben buchstäblich den Kopf eingezogen. In der Hoffnung, das Donnerwetter würde an uns vorübergehen. Wenn wir uns nur einfach gar nicht bewegen, am besten nichtmal atmen, werden wir hoffentlich nicht gesehen. (Freeze)

Und mindestens als Kind war die Flucht vor den “Großen” ein probates Mittel, unangenehmen Situationen zu entkommen. (Flight)
Ignoranz ist übrigens ebenso ein Fluchtmittel, was ganz ohne Bewegung auskommt und welches relativ häufig und einfach in digitalen Medien angewandt wird.


Befinden wir uns in diesem Modus, ist es, wie bereits erwähnt, mit dem Denken nicht weit her.

In diesem Zustand ist es beinahe unmöglich, ein konstruktives Gespräch führen zu wollen oder eine kluge Entscheidung zu treffen.

Der Körper braucht sämtliche Energie für den Notzustand und versorgt Hirnareale des Denkens und des Gedächtnis nicht mehr ausreichend.

Normalerweise fällt unser Hormonsystem nach einer akuten Stressbelastung wieder in den Normalzustand zurück. Das heißt, bestimmte Rezeptoren in unserem Körper stoppen üblicherweise die Produktion von Cortisol, sobald die Stresssituation vorüber ist. Unser seelischer Schaumstoffball springt zurück in die Ausgangsform.

Wenn wir nun allerdings permanente Stressreize erhalten, produziert der Körper auch kontinuierlich Stresshormone.

Der Körper ist nicht für ununterbrochene Hochspannung konstruiert,

so dass die physischen und psychischen Folgen schon rein biologisch unausweichlich sind.

Dauerstress ist daher kein guter Begleiter - weder im Job noch im Privatleben. Ich hoffe, ich habe ausreichend dargestellt, warum Du ihn nicht auf die leichte Schulter nehmen solltest oder gar als unausweichlich empfinden musst.

Abgesehen davon, dass in chronischen Stresssituation das permanent erzeugte Hormon Cortisol die Produktion von Serotonin (auch bekannt als unser Glückshormon) hemmt, leiden - wie oben beschrieben - Gehirnregionen, die das Denken und das Gedächtnis steuern.

Eine Unterversorgung der wichtigen Denk-Hirnareale und des Gedächtniszentrums kann nicht ernsthaft im Interesse von Arbeitgebern sein. Von Dir als möglicherweise betroffene Person schon gleich gar nicht.

Zudem führt Dauerstress zu
Bluthochdruck,
Muskelabbau,
Fetteinlagerung,
Libidoverlust,
Schlafstörung,
Verdauungsproblemen,
Infektionsanfälligkeit…

Ich kenne keinen Menschen, der all das für sich als erstrebenswert empfindet.

Stress bewusst mit innerer Ausgeglichenheit und Resilienz zu begegnen
- thick-skinned zu werden und zu bleiben - ist deshalb gleichsam gesund und für die Leistungsfähigkeit im Leben unerlässlich.

Wie das geht? Techniken zum Resilienzaufbau kannst Du hier lesen.

  1. Säule Optimismus.
    Wenn das Leben Dir Zitronen gibt… - Becoming thick-skinned (Part III)

Sei die beste Version von Dir selbst.




 


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